Der Zustand jenseits von Wünschen

Vairagya ist nicht so einfach zu übersetzen. Es hat auch je nach Kontext mehrere Bedeutungen. Vairagya hat eigentlich vom Wortstamm her die Bedeutung: Abwesenheit von Raga. Raga heißt Wunsch, Raga heißt mögen. Vairagya ist der Zustand jenseits vom Wünschen. Vairagya heißt die innere Überzeugung, dass nichts Äußeres einen dauerhaft glücklich macht. Die meisten würden ja zustimmen, Geld alleine macht nicht glücklich. Nicht nur hier im Raum, sondern, dazu könnte man eine Umfrage machen. Die Mehrheit würde dem zustimmen. Man kann sich fragen, warum geht so viel Energie nur dahin mehr Geld zu verdienen. Angenommen, es gäbe so etwas wie den Weihnachtsmann. Der würde einem alles bringen, was man nur will. Oder, wie die Fee in einem Märchen: Du hast drei Wünsche frei. Es muss aber ein äußerer Wunsch sein. Solange man denkt, man wäre ja glücklich, wenn das und das wäre, solange hat man noch kein tiefes Vairagya.

Man denkt:

–     Es müsste mich nur der oder der heiraten, dann wäre ich dauerhaft glücklich.

–     Ich müsste nur endlich ein Kind kriegen können. Wenn das mit dieser künstlichen Befruchtung funktioniert, dann werde ich  glücklich.

–     Wenn die Kinder endlich aus dem Haus sind, dann bin ich glücklich .

–     Wenn meine Mutter wieder gesund ist, dann werde ich glücklich sein.

–     Wenn endlich der Pflegefall vorbei ist, dann werde ich wieder leben können.

–     Wenn ich diese besondere Wohnung habe, mit diesem ganz besonderen Ausblick und dieser besonderen Küche, dann werde ich dauerhaft glücklich sein.

Gut, wenn wir das nicht mehr denken, dann ist Vairagya erwacht. Erwachtes Vairagya heißt nun nicht, dass es vollkommen ist. Wir haben weiter alle möglichen Wünsche, nur, wir wissen tief im Inneren, dauerhaft wird die Erfüllung dieser Wünsche mich nicht glücklich machen. Es muss etwas Tieferes geben. Angenommen, nur Vairagya ist da und die anderen drei nicht, dann kann das nicht nur positiv sein. Es kann sogar Menschen in große Krisen bringen und manche Formen von Depression sind eigentlich Erwachen von Subecha. Keineswegs alle Formen von Depressionen. Aber manche auch massiveren Formen von Depression, sogar Selbstmordgefährdungen können kommen, weil Vairagya erwacht aber Menschen nicht sehen, was sie tatsächlich glücklich machen könnte. Manche Menschen geraten eben in Verzweiflung und gerade in unserer Gesellschaft bekommt man nicht so oft die Spiritualität als eines der möglichen Lebensbilder mit.

Wir haben zwar viele Yogazentren und es gibt viele Meditationszentren, die Bücher des Dalai Lama sind Bestseller, aber trotzdem, das durchschnittliche Kind wächst nicht damit auf, dass eine seiner Möglichkeiten wäre, den Weg der Spiritualität zu gehen. Das könnte man auch mal überlegen. Damit wächst die Mehrheit unserer Kinder und Jugendlichen nicht auf. Es kann zu Krisen und es kann zu Süchten führen, wenn eine innere Suche angelegt ist, kommt es vor, dass Menschen diese betäuben. Da kommt es dann zur Sucht. Das normale Leben ist nicht aushaltbar, also muss ich das irgendwie betäuben. Auch hier ist es nicht so, dass jeder, der eine Sucht hat sich deshalb auf Subecha befindet. Aber es gibt doch einige davon. Nicht umsonst ist das bis heute erfolgreichste Programm gegen Alkoholismus das zwölf Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker. Es ist ein spirituelles Programm. Ich kennen mich jetzt nicht so detailliert aus, also, ich habe hierzu keinen persönlichen Hintergrund. Aber ich kenne Menschen, die diesen Hintergrund hatten. Ich habe ihre Bücher gelesen und fand sie sehr interessant. Auf einer Stufe steht dort, dass man sich an Gott wendet, wie auch immer man ihn nennt und ihm alles anvertraut. Viele sagen, das ist der wichtigste Schritt gewesen, dass sie zu einer spirituellen Überzeugung kommen. Gerade diejenigen, die eigentlich in diesem Leben beginnende Subecha haben, die brauchen nicht viel mehr als diese neue Perspektive, um diese Süchte wieder los zu werden. Manche begeben sich auf Weltreise immer auf der Suche. Irgendwo muss es doch was geben. Andere werden Wissenschaftler auf der Suche nach der Wahrheit, nach irgendetwas Tieferem. Wieder andere lesen wahnsinnig viele Bücher .

– Fortsetzung folgt –

Dieser Yoga und Meditation Blog-Eintrag entstammt den unbearbeiteten Niederschriften aus einem Yoga Seminar zum Thema „Der Spirituelle Weg„. Dieses Seminar fand statt bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Es wurde angeleitet von Sukadev Bretz. Dieses Seminar war auch Teil einer Yogalehrer Ausbildung. Viele Vorträge von Sukadev kannst du auch als Yoga und Meditation Video anhören – und anschauen.

Raja Yoga ist eine Ausbildung in geistiger Massage

Raja Yoga ist ja ein anderer Ausdruck für Ashtanga Yoga. Raja Yoga heißt „Der Yoga der Selbstbeherrschung“. Raja heißt König, Herrscher, Herrschaft. Um sich selbst zu beherrschen, muss das Unterbewusstsein massiert werden. Swami Sivananda schreibt: „Das Feuer der Meditation verbrennt die Fäulnis des Lasters“. Und: „Durch den Druck der Meditation werden die Unreinheiten am Grund des Geistsees zum Vorschein geholt“. Wenn du meditierst, machst du nicht nichts. Vielmehr massierst du die Tiefen deines Geistes. So ist Meditation wie eine geistige Ausbildung in Massage. Körperliche Massage bringt zunächst innere Spannungen hervor – so werden sie bewusst. Körperliche Spannungen sind oft mit Emotionen verknüpft. Wenn körperliche Spannungen aufgelöst werden, lösen sich auch emotionale und geistige Spannungen. So ist das auch mit der Meditation: Durch Meditation wird das Unterbewusstsein durchgeknetet. Geistige Spannungen werden bewusst. Wie in einer Massage kann dieser Prozess sanfter oder härter sein. Schließlich lösen sich die Spannungen auf – du fühlst dich ganz frei. Meditation als Ausbildung in geistiger Selbstmassage – was meinst du dazu?

Retreat

Bevor ich weiter schreibe über die höheren Stufen des Ashtanga Yoga – Dharana, Dhyana und Samadhi, hier einige Infos zum Thema Retreat. Auf der einen Seite ist Yoga im Alltag zu praktizieren: Tägliche Übung von Asana, Pranayama und Meditation. Übung der Yamas und der Niyamas – also Ethik im Alltag, spirituelle Gestaltung des Alltags, Beobachtung und Steuerung der Gedanken und Gefühle.

Auf der anderen Seite ist es wichtig, immer wieder vom Alltag abzuschalten und sich zurückzuziehen. Der englische Ausdruck Retreat hat im Deutschen eine spezielle Bedeutung erhalten, nämlich eine Form der spirituellen Praxis, weg vom Alltag. Es gibt Schweige-Retreats, Meditations-Retreats, individuelle Retreats, angeleitete Retreats. Geeignete Orte für Retreats sind Ashrams und Klöster. Viele Möglichkeiten für Retreats gibt es bei Yoga Vidya: Hier eine schöne Seite über Retreats.

Dharana, die fünfte Stufe des Ashtanga Yoga

Ashtanga Yoga ist der Yoga der acht Stufen. Die Leser dieses Blogs kennen das ja inzwischen: Yama – die zwischenmenschliche Ethik, Niyama – die persönliche Disziplin, Asana – die Haltung in all ihren Wortbedeutungen, Pranayama – die Steuerung des Pranas und damit auch des Atems, Pratyahara – die Fähigkeit den Geist nach innen zu richten bzw. vom Gegenständlichen abzuziehen, Dharana – Konzentration, Dhyana – Absorption, Samadhi – Überbewusstsein

Heute will ich ein paar Worte schreiben über Dharana, die Konzentration. Dharana gibt es in verschiedenen Wortbedeutungen

  • Dharana heißt die Konzentration in der Meditation. Konkret ist Dharana die Meditationstechnik.
  • Dharana sind kleine Konzentrationsübungen im Alltag, die du zwischendurch einbauen kannst
  • Dharana heißt auch die Fähigkeit und das Bemühen, im Alltag konzentriert zu sein

Hier ein paar Worte über Dharana als Meditationstechnik. Es gibt verschiedene Formen von Meditationstechniken. Grundsätzlich kann man unterscheiden:

  • aktive Techniken: Hier ruft der Übende bewusst Geistesinhalte hervor und konzentriert diese
  • passive Techniken: Hier beobachtet der Übende die von selbst auftauchenden und wieder verschwindenden Geistesinhalte

Zu den aktiven Techniken gehören

  • auditive Techniken: Mantra-Meditation, Affirmationen, Gebete
  • visuelle Techniken: Phantasiereise, Visualisierung von Symbolen, der Gestalt eines Meisters, einer Form einer Manifestation Gottes etc.
  • Nachdenken über einen Vers einer Heiligen Schrift, über die Worte eines Meisters, über ein Mahavakya etc

Zu den passiven Techniken gehören

  • verschiedene Sakshi Bhav Techniken aus dem Vedanta
  • Vipassana Meditationen im Buddhismus

Alle Formen der Meditation helfen auch für mehr Gelassenheit. Wenn du in der Meditation eine gewisse Tiefe erreicht hast, kommst du zu einer Quelle von Gelassenheit, die dich im Alltag dynamisch und doch ruhig sein lässt.

Pratyahara – die fünfte Stufe von Ashtanga Yoga

Die fünfte Stufe von Ashtanga Yoga laut Patanjali ist Pratyahara.

Pratyahara wird meist übersetzt als „Zurückziehen der Sinne“.

Pratyahara kann in unterschiedlichem Kontext Unterschiedliches bedeuten:

  • Im Alltag heißt Pratyahara die Fähigkeit, nicht automatisch den Impulsen der Sinne zu folgen. Wenn du also an einem Naturkostladen vorbei gehst, nicht sofort reingehen und einen Bio-Öko-Schoko-Riegel kaufen, sondern die Fähigkeit vorbei zu gehen
  • Pratyahara heißt auch die Fähigkeit, anderes ausblenden zu können. WEnn du dich also auf eine Sache konzentrierst, dann bist du voll darauf konzentriert und nimmst keine Ablenkungen wahr.
  • Pratyahara sind auch spezielle ÜBungen, den Geist nach innen zu richten
  • Die Tiefenentspannung im Hatha YOga ist letztlich eine praktische Form der Übung von Pratyahara
  • In der Meditation selbst ist Pratyahara ein Schritt in die Meditation: Nach dem Einnehmen der Sitzhaltung (Asana), der Regulierung des Atems (Pratyahara) folgt das Erzeugen eines meditativen Gemütszustandes (Pratyahara). Pratyahara Techniken in diesem Sinne sind: Affirmation, Visualisierung, Gebet, Gedanken des Wohlwollens und Vergegenwärtigung der Bedeutung der Meditation

Yoga Psychologie des Ashtanga Yoga

Ashtanga Yoga als Yoga der 8 Stufen ist psychologisch sehr geschickt aufgebaut. Man könnte sagen, es steckt eine eigene Yoga Psychologie in diesen 8 Stufen:

  • Yama: Verankere dich in Ethik und Moral. Wenn du deine geistigen Kräfte entfalten willst, solltest du diese positiv nutzen, nicht zum Schaden, sondern zum Nutzen anderer
  • Niyama, persönliche Disziplin: Im Yoga lernst du, deiner Intuition, deinem Herzen zu folgen. Das darf aber nicht in Gefühlsduselei und Verantwortungslosigkeit ausarten. So solltest du persönliche Disziplin lernen – dann kannst du auch auf dein Herz hören
  • Asana: Wenn du äußerlich ruhig bist, kannst du deine Psyche besser beobachten. Du kannst das Spiel deines Geistes wahrnehmen
  • Pranayama: Es besteht eine enge Verbindung zwischen Atem und Psyche. Über die Steuerung des Atems kannst du sehr leicht deine Gemütsverfassung beeinflussen. Und es gilt: Mehr Prana bedeutet mehr geistige Kräfte
  • Pratyahara: Lerne deinen Geist nach innen zu richten. Du beherrschst deinen Geist um so besser, je  mehr du ihn vom Äußeren weglenken kannst – wenn du das möchtest
  • Dharana: Sei konzentriert in jeder Lebenssituation. Du lebst intensiver, wenn du mit größerer Konzentration dabei bist.
  • Dhyana: Entwickle die Fähigkeit der Absorption, der Versenkung, ja, des Flow-Erlebnisses. Das ist trainierbar – und besonders erfüllend
  • Samadhi: Es gibt etwas jenseits des Denkens, des Fühlens, deiner Psyche. Dies ist der Atman, dein wahres Selbst. Tauche dort ein- und erfahre, wer du wirklich bist…

Ist das alles Psychologie? Oder Spiritualität? oder spirituelle Psychologie? Entscheide selbst – oder schreibe etwas dazu…

Pranayama, die vierte Stufe des Ashtanga Yoga

Pranayama ist die vierte Stufe von Ashtanga Yoga. Pranayama hat zwei Bedeutungen:

  • Steuerung des Atems
  • Steuerung des Prana

Prana hat, wie viele andere Sanskrit Ausdrücke auch, verschiedenste Bedeutungen. Atem, Prana sind zwei der wichtigsten.

Pranayama sind zunächst die Atemübungen. Atemübungen bestehen aus drei Teilen:

  • Einatmung, Puraka genannt
  • Ausatmung, Rechaka genannt
  • Kumbhaka, Atem Anhalten

Beim Atem Anhalten gibt es drei Hauptformen:

  • Antar Kumbhaka, das Luftanhalten bei gefüllten Lungen. Antar heißt wörtlich „inneres“. Es bezieht sich darauf, dass die Luft innen, also im Körper, ist
  • Bahir Kumbhaka, das Luftanhalten bei leeren Lungen. Bahir heißt „äußeres“. Bahir Kumbhaka heißt, dass die Luft außen, also außerhalb des Körpers ist
  • Kevala Kumbhaka, das weitestgehende Aussetzen des Atems. Kevala heißt wörtlich „natürlich“

Von Kevala Kumbhaka gibt es wiederum zwei Arten:

  • Das von selbst einsetzende Kevala Kumbhaka: In tiefer Meditation kann der Körper-Metabolismus sehr ruhig werden. Dann hört der Atem fast aus. Kevala Kumbhaka kann sogar ein Zeichen für Samadhi sein. Es ist nicht das einzige Zeichen – und auch nicht ein ausreichendes Zeichen für Samadhi. Aber es ist ein Zeichen
  • Das bewusst gesteuerte Kevala Kumbhaka: Du kannst bewusst in der Meditation die Menge an Luft, die du ein- und ausatmest, reduzieren. Dies wird Kevala Kumbhaka genannt, und hilft, die Meditation zu vertiefen

Asana, die dritte Stufe des Ashtanga Yoga

Asana ist die dritte Stufe, der dritte Schritt, der dritte Teil, der dritte Aspekt des Astanga Yoga. Ashta heißt ja bekanntermaßen „acht“, also 8. Der Ausdruck Anga ist nicht ganz so einfach zu übersetzen. Anga heißt Teil, Glied, Aspekt, Stufe, Schritt etc.

Also: der dritte Anga ist Asana. Asana heißt wörtlich „Haltung“. Es bezieht sich auf die Sitzhaltung sowie auch auf die Hatha Yoga Stellung.

Damit eine Körperhaltung als Asana bezeichnet wird, muss sie eine WEile gehalten werden.

Patanjali sagt „Sthiram Sukham Asanam“ – Die Asana sei fest und angenehm.

Mehr ein nächstes Mal. Jetzt gehe ich nämlich in eine Asana, und zwar eine Meditations-Asana, genauer gesagt Siddhasana, für Pranayama und Meditation… in den Schritten Pratyahara, Dharana, Dhyana (Samadhi? 🙂 )

Niyama – die Zweite Stufe im Ashtanga Yoga

Niyama ist die Zweite Stufe des Ashtanga Yoga.

Niyama ist die persönliche Disziplin. Niyama besteht aus Empfehlungen für die persönliche Lebensgestaltung, den eigenen Lebensstil.

Patanjali erwähnt in seinem Yoga Sutra fünf Niyamas:

  • Saucha – Reinheit
  • Santosha – Zufriedenheit
  • Tapas – Disziplin, spirituelle Praxis, Askese
  • Swadhyayana (Svadhyaya) –  Selbststudium
  • Ishwara Pranidhana (Ishvara Pranidhana) – Hingabe an Gott

 

Yama – erste Stufe von Ashtanga Yoga

Die erste Stufe von Ashtanga Yoga bzw. Raja Yoga ist Yama.

Yama sind die ethischen Empfehlungen für den Umgang mit anderen. Zu den fünf Yamas nach Patanjali Yoga Sutra gehörn:

Diese fünf ethischen Prinzipien helfen für Klarheit des Geistes, für Gelassenheit im Alltag, ein offenes Herz und innere Stärke.